Samstag, 16. Mai 2009

Wen wähl ich nur?

Stellt Euch vor, es ist Europawahl und keiner merkt´s. Wie bei den vergangenen Wahlen auch, droht auch diesmal wieder eine Wahlbeteiligung, die jedem "guten" Demokraten eigentlich das Wasser aus den Augen treiben müsste. In Deutschland befindet sich die Wahlbeteiligung seit der ersten Europawahl im Jahre 1979 (63%) im freien Fall und hat bei der letzten Wahl 2004 mit 43% einen historischen Tiefstand erreicht.

Solche Zahlen spiegeln natürlich die Bedeutung wieder, die der Wähler der EU beimisst - nämlich gar keine! Man nimmt in den Niederungen des "normalen", von der Ignoranz der Politiker geprägten Lebens, die Entscheidungen, die im fernen Brüssel oder manchmal auch in Straßburg getroffen werden, nur am Rande wahr und empfindet sie als Gängelung oder Bedrohung. Genau wie man die EU-Bürokratie aus der Ferne nur als ein unkontrollierbares bürokratisches Monster wahrnimmt, dass die Gelder des größten Beitragszahlers (Deutschland) großzügigst und nach undefinierbaren Kriterien, denen hinterher schmeisst, von denen man sich die besten Leistungen im Arschkriechen verspricht. Aber auch aus der Nähe ändert sich an diesem Bild nicht wirklich etwas. Die vielbelächelte und belästerte Richtlinie der EU, die den Krümmungsgrad von Gurken regelte und die erst kürzlich aufgehoben wurde, ist symptomatisch für das Verständnis der Bürger vom vereinigten Europa.

Natürlich sehen sich die EU und deren Parlamentarier selbst in einem ganz anderen Licht. Was in Brüssel geschieht, ist weit weg und nimmt sowieso keine Rücksicht auf die Nöte der Bürger in den einzelnen Staaten. Dieses Gefühl hat man schon bei den Regierungen in den Mitgliedsländern und erst recht bei den Bürokraten in Brüssel und Straßburg. Übrigens ich war mal in Straßburg und habe das Europäische Parlament besucht. Besonders auffallend war die gähnende Leere dort, obwohl eigentlich Sitzung sein sollte. Auf meine Frage erhielt ich die Antwort, ein Teil der Parlamentarier sei aus unterwegs, um "Öffentlichkeitsarbeit" zu machen (Termine in ihren Wahlkreisen oder so ähnlich), ein Teil sei schon auf dem Weg ins Wochenende, weil man ja weit zu fahren habe (es war glaube ich Mittwoch) und ein anderer Teil sei aus eben jenem Wochenende leider noch nicht zurück gekehrt (aus dem gleichen Grunde, aus dem die anderen früher gefahren sind?). Verständlich, dass diese Erlebnisse nicht dazu angetan waren, meine grundsätzliche Haltung gegenüber Politikern neu zu überdenken. Nein, meine Haltung und meine Vorurteile gegen diese Spezies haben sich dadurch nur verstärkt und das Misstrauen hat sich noch vertieft.

Desweiteren ist es wohl eine Tatsache, die aber nicht so gern angesprochen wird, dass es eigentlich nicht die fähigsten Politiker sind, die nach Brüssel oder Straßburg geschickt werden (obwohl man das bei der Größe der ihnen anvertrauten Aufgabe eigentlich erwarten würde). Im Gegenteil, es sind die, die in der nationalen Politik am meisten nerven und die armen Parteigenossen quälen, was dann dazu führt, dass sie nach Europa weggelobt werden. Zu den doppelten Bezügen versteht sich, denn man muss schon bereit sein Opfer zu bringen.

Damit ist aber immer noch nicht geklärt, wen ich denn nun wählen soll. Tja, da bin ich nach wie vor überfragt, denn das Geschwafel der Parteien erschöpft sich in unhaltbaren Wahlversprechen. Das ist auf europäischer nicht anders, als auf nationaler Ebene. Aber man lässt den geneigten Wähler allein mit seiner Entscheidung, ob er eine dieser Parteien wählen mag, oder seinen meterlangen Stimmzettel lieber mit auf ´s Klo nimmt, damit er diesen einer vernünftigen Bestimmung zuführen kann. Meine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Vermutlich werde ich noch eine Weile schwanken, obwohl ich versichere, dass da kein Alkohol im Spiel ist. Letztendlich wird es aber auf eine Protestwahl hinauslaufen, denn mit den herrschenden Verhältnissen kann kein Mensch zufrieden sein. Ein grenzen- und zügellos operierender Kapitalismus, Umweltzerstörung ohne Grenzen und ohne die Fähigkeit der Verursacher ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Das verlangt, das schreit geradezu nach einer Protestwahl und sicher bin ich nicht der Einzige der so denkt. Ganz sicher werde ich meine Proteststimme keiner der rechten Parteien geben. Alles andere steht noch in den Sternen!

Wenn auch ihr noch unschlüssig seid, schaut mal auf diesen Links hier vorbei und informiert Euch darüber, mit welchen Wahlversprechen und Lügen man Euch zu ködern versucht. Ich meine, wir sind schliesslich Wähler, sollte man uns nicht wenigstens ein bisschen in den Arsch kriechen? Statt dessen verkauft man uns für dumm. Aber das müssen wir uns ja nicht gefallen lassen, oder?

Übrigens: zu in meinen Augen rechten Parteien habe ich absichtlich nicht verlinkt. Wer der Meinung ist, sowat wählen zu sollen, der kann sich deren beschissene Homepages selber im Netz raussuchen! Und noch etwas. Die Reihenfolge, in der die Parteien hier aufgeführt sind, sagt nichts, aber auch rein garnichts darüber aus, wie hoch oder niedrig sie von mir eingeschätzt wird. Die Reihenfolge ist aus der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 10.4.2009 entnommen und stellt von daher keine Wertung dar. Und für alle, die auch nach dem Studium der vielen Vereins Partei-Homepages noch immer von Ratlosigkeit geplagt werden, gibt es hier einen Wahl-O-Mat, der Euch bei diesem Sammelsurium an Parteien weiterhelfen können soll ;-). Aber es gibt noch weitaus mehr für die, die noch nicht wissen, welche Ecke des politischen Spektrum am besten zu ihnen passt. Hier könnt Ihr im Stil von "fragt Dr. Sommer" mit Hilfe des EU-Profilers herausfinden, welch Geistes Kind Ihr eigentlich seid - ideal für alle, die sich noch nicht selbst gefunden haben!

weiterführende Links:

So und die hier, die stehen aus irgendwelchen merkwürdigen Gründen nicht auf der gleichen Liste wie die obigen. Aber da ich nicht glaube, dass ausgerechnet die Raffzähne von der Union auf ihre Pfründen freiwillig verzichten, führe ich sie hier noch mit an, der Vollständigkeit halber, nicht aus Sympatie!

So nun ist die Sache an Euch. Informiert Euch und tut was. Wenn´s dann nicht nach Euren Wünschen klappt, dann habt Ihr das Recht und die verdammte Pflicht zum Meckern!

8 Kommentare:

Hukwa hat gesagt…

wer die wahl hat, hat die qual.
gute auflistung, jetzt hat man die
"versprecher" auf einen blick.
gruß hukwa

A.O. hat gesagt…

"Versprecher", das is gut, danke Hukwa!
Gruß von Thialfi

Andrea Mayer-Edoloeyi hat gesagt…

Mir gehts genauso, ich weiss auch nicht, was ich wählen soll. Die Auswahl ist in .at auch nicht viel besser :-(

A.O. hat gesagt…

Das hab ich auch schon gelesen, liebe Andrea.
Wir sind uns halt, trotz der zweifellos vorhandenen kulturellen Unterschiede, doch ziemlich ähnlich - es sind die gleichen Idioten hier wie dort, die uns das Heil (im wahrsten Wortsinne) bringen wollen.

Liebe Grüße von Andrej

Stefan hat gesagt…

Ich gestehe, dass ich - bei allen Mängeln der EU - ein Befürworter des europäischen Gedankens bin, als Zwischenschritt zur Aufgabe des Nationaldenkens hin zu einem EINE-WELT-Bewusstsein (in durchaus kultureller Vielfalt).

Wer in unserem Wahlkreis antritt, weiß ich noch nicht. Den ersten Wahlplakaten nach hat jeder DIE Lösung für alle Probleme. Vermutlich werde ich also eine ganze Menge Kreuze machen müssen.

A.O. hat gesagt…

Ganz genau, Noah. Auch ich bin ein Beführworter des europäischen Einigungsgedankens. Was mich jedoch stört, ist die fehlende Kommunikationsfähigkeit der Verantwortlichen. Warum wird denn Europa so skeptisch beäugt von den Wählern? Doch nur, weil keine Sau weiss, wozu - außer den offenen Grenzen - das Ganze überhaupt gut ist. Man fühlt sich überfahren von der Bürokratie und hat das Gefühl, keinerlei Einfluss nehmen zu können. Dieses Gefühl hat man zwar auch nach einer Bundes- oder Landtagswahl, aber Europa verschärft diese Empfindungen schon allein durch seine schiere Größe. Und mal im Ernst, man höert doch nur von Europa wenn´s wieder um eine Richtlinie geht, mit der statlioches recht ausgehebelt werden soll. Beispiel gefällig? Gerne! Während die Einzelstaaten gegen die Gentechnisierung der Landwirtshcaft kämpfen und z.T. den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verbieten wollen, versucht Europa den Genkonzernen vom Schlage Monsantos Tür und Tor zu öffnen und den Anbau derselben gentechnisch veränderten Pflanzen zu erlauben! Wie passt das denn zusammen? Der Bürger hat das Gefühl er muss für sein recht nun an zwei Fronten kämpfen und das kommt nicht gut an. Viele denken wohl deshalb: "Wenn ich nicht wähle, bin ich auch nicht verantwortlich für den Scheiss, den die da in Brüssel und Straßburg verzapfen!" oder "Ich hab sowieso keinen Einfluss auf das, was dort geschieht!"

Friedes ei mit Euch allen, Thialfi/Andrej

Stefan hat gesagt…

Natürlich gibt es da viel Murks. Aber auch viele als sehr positiv zu bewertende Ansätze, wie die FFH-Richtlinie, die Vogelschutzrichtlinie, Natura 2000, Umweltschutzrahmenpläne und UVP-Pflichten, Sicherheitsstandards, ..., vieles, das teils unmittelbar gilt, oder zwingend in nationales Recht umzusetzen ist. Es ist ein langer Weg, aber die Wahl bietet allen die Chance, die Richtung ein ganz klein wenig mitzubestimmen.

Friede sei auch mit dir.

A.O. hat gesagt…

So hoffen wir denn alle auf Besserung, denn wenn iwr uns nicht beteiligen, haben wir auch nicht den Hauch einer Chance, die Richtung zu bestimmen.

Grüße von Andrej