Dienstag, 9. Februar 2010

Schlaflos in Deutschland?

Dem Gesundheitsreport 2009 der Krankenkasse DAK zufolge leiden Millionen von Arbeitnehmern in Deutschland unter Schlaflosigkeit und anderen Schlafstörungen. Stellt sich natürlich die Frage, warum das so ist! Liegt es daran, dass die Arbeitnehmer einfach - wie so oft und gern behauptet wird - nur auf hohem Niveau jammern? Ist es so, dass sie sich ob der hervorragenden sozialen Netze und der Sicherheit, die sie bieten, eigentlich in traumhaften Verhältnissen bewegen, die sie gar nicht zu schätzen wissen?

Vielleicht ist es ja ganz anders. Vielleicht sind die Gründe in unserer Gesellschaft zu suchen, in der die normalen Menschen die Deppen der Nation sind, die brav ihre Steuern zahlen, während die Reichen sich hemmungslos die Taschen füllen und anstatt ihren Steueranteil an den Staat abzugeben, das Geld einfach ins Ausland schaffen, wo sie es auf Nummernkonten horten und sich einen ablachen über die armen Trottel in Deutschland, die zu arm und zu dumm, oder beides sind und sich vom Staat das sauer verdiente Geld einfach abnehmen lassen. Passieren kann ja nicht viel. Entdeckt der Staat, oder seine Handlanger, die hinterzogenen Steuermillionen, kann man sich ja immer noch schnell selbst anzeigen, die Steuern nachzahlen und weiter als wohlhabender, aber ehrenwerter Mensch in Deutschland leben - so einfach ist das.

Ein "einfacher" Arbeiter hat es in Deutschland allerdings nicht so einfach, wie man gemeinhin annimmt. Von wegen soziale Hängematte, in der es sich so bequem rumgammeln lässt. Soziale Kälte heisst das Losungswort, seit die neoliberale Kammarilla um Guido Westerwave zusammen mit Angelas ausgemerkeltem christdemokratischem Kasperletheater die Herrschaft in Berlin übernommen haben. "Wir" und damit meinen die uns, die einfachen Bürger, also "wir" hätten jahre-, sogar jahrzehntelang über "unsere" Verhältnisse gelebt und nun sei eben sparen angesagt! Alles müsse auf den Prüfstand, blablabla...

Als erstes und weil des vor allem der Industrie und den Konzernen nicht weh tut, streicht man die Sozialleistungen zusammen, die gemeinhin als außergewöhnlich reichhaltig angesehen werden - allerdings nur von denen, die nicht davon leben müssen. Aber wie schnell man von einem relativ gut verdienenden Angestellten der Mittelschicht, oder einem Arbeiter bei einem großen Unternehmen in das große schwarze Loch fallen kann, dass da heisst Hartz IV, kann man an vielen Beispielen bei den Arbeitsagenturen sehen. Man braucht sich dort nur mal einen Tag lang hin zu setzen und zu hören, was die Leute zu sagen haben. Aber wer will das schon wissen, wenn er in der Regierung eines der reichsten Länder der Erde sitzt und sich wahrhaftig Sorgen um die wichtigen Dinge machen muss, beispielsweise notleidende Banken, zusammenbrechende Automobilkonzerne, oder was auch immer.

Der einfache Mensch aber, der seinen Lebensunterhalt mit seiner Hände Arbeit verdienen muss, der beschäftigt sich mit dem, was ihn am ehesten berührt und das ist nunmal sein Arbeitsplatz, von dem sowohl sein relativer Wohlstand, als auch seine Sicherheit, sein gesellschaftlicher Stand und ebenso seine Alterssicherung abhängt. Verliert er den Arbeitsplatz, weil andere Menschen (in aller Regel besonders gut bezahlte Menschen) zu dämlich waren das Unternehmen, das sie leiteten, in die Zukunft anstatt in den Abgrund zu führen, verliert er alles, sein Erspartes, seine Selbstachtung (weil ihm aufgehetzte, einfältige Menschen vorwerfen, er sei selbst am Verlsut seines Arbeitsplatzes schuld), seine gesellschaftliche Stellung und nicht selten seine Familie.

Eine bekannte Tatsache ist es in der kapitalistischen Gesellschaft, dass die Arbeitnehmer umso mehr ausgepresst und ausgebeutet werden können, je größer die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit ist. Denn je mehr Menschen arbeitslos auf der Straße stehen, desto leichter ist es für die Unternehmer, willige Arbeitnehmer zu finden, die sogar bereit sind, für Dumpinglöhne zu arbeiten, nur um überhaupt einen Job zu haben! Und die regierung sieht dabei tatenlos zu und behauptet, Mindestlöhne würden den Markt zerstören und Arbeitsplätze kosten? Das ist lachhaft. So eine Einstellung kann man nur dann teilen, wenn man auf der Auszahlungsliste einflussreicher Lobbyisten steht und die kümmern sich meist nicht um die Rechte von Arbeitnehmern, sondern darum, dass Konzerne nicht zu hart angegangen werden!

Die Menschen in diesem Land hören also von allen Seiten:

"Wenn Ihr eine Krankenversicherung wollt, die auch wirklich was bezahlt, wenn Ihr mal krank werdet, dann müsst Ihr "Eigenverantwortung" übernehmen und euch zusätzlich versichern - zusätzlich zu den zusätzlich erhobenen Zusatzbeiträgen!"

"Wer seinen Lebensstandard im Alter halten will, der muss "Eigenverantwortung" übernehmen und die "Versorgungslücke" durch eine zusätzliche Altersvorsorge schließen!"

"Wer arbeitet, der soll sich mit seinem unter der schweren (natürlich völlig unverschuldeten) Wirtschaftkrise leidenden Arbeitgeber solidarisch erklären und Lohnverzicht üben - nur so können die Arbeitsplätze gesichert werden (keine Ahnung wieviele und ob überhaupt), ohne das die Unternehmen ins billigere Ausland abwandern müssen!"

"Wer eine saubere Umwelt will, der muss bereit sein mehr zu zahlen, für Sprit, Strom, Gas und was weiss ich! Der muss weniger Energie verbrauchen und dafür mehr bezahlen! Der muss in Kauf nehmen, dass die "Brückentechnologie" Atomkraft, mit Technik aus dem letzten Jahrhundert, den Kraftwerksbetreibern Gewinne bis ins nächste Jahrhundert beschert (wo der Atommüll hin soll, der über Jahrzehntausende strahlt, das weiss keiner. Zur Not muss man sich das Zeug auch unter dem eigenen Häuschen verbuddeln lassen - jeder muss eben Opfer bringen)!"

"Wer Freiheit und Demokratie bewahren will (wessen Freiheit ist das eigentlich? Die Freiheit der Konzerne und der Reichen?), der muss seine Söhne bereit sein zu opfern, damit sie für unseren Wohlstand am Hindukusch Krieg führen? Den Terror bekämpfen in Afghanistan und im Irak?"

Das, Ihr lieben Politiker, geht den Menschen im Kopf herum, wenn sie sich Nachts ins Bett legen und versuchen einzuschlafen! Angst macht sie schlaflos, Angst die Arbeit zu verlieren und auf Euch und Hartz IV angewiesen zu sein! Angst, krank zu werden und von der Krankenkasse zu hören:"Det bezahln wa nich, det is zu teuer!" Angst, im Alter auf Almosen angewiesen zu sein und darauf zu hoffen, dass die Klimaerwärmung wirklich eintritt, weil man sich die Heizkosten nicht mehr leisten kann! Angst, dass die Kinder in einer verseuchten Welt leben müssen, in der Konzerne Flora und Fauna mit gentechnisch veränderten Organismen überschwemmt und mit Patenten zu ihrem Eigentum gemacht haben, wo es kein sauberes Trinkwasser mehr gibt, dass die Menschen sich leisten können, wo die Luft verpestet ist und die Sonne den Menschen nach kurzer Zeit Krebsgeschwüre in die Haut brennt!

Ist es ein Wunder, dass nicht noch mehr Menschen schlecht oder garnicht schlafen können, während Ihr grinsend Steuererleichterungen für Hoteliers durchsetzt und das den Menschen als Fortschritt und soziale Politik verkauft?

weiterführende Links:

8 Kommentare:

Sisyphos hat gesagt…

Vielleicht sollen wir ja in Hotels gehen, um zu schlafen? Deswegen die Mehrwertsteuerreduzierung? ;-)
Spass beiseite: Wer in unserer Gesellschaft nicht dauernd aktiv ist und irgendetwas hinterherjagt, ist schon ausserhalb der Norm; kein Wunder, das die menschen nicht mehr in der Lage sind, zu entspannen. Die Gedanken um halbwegs wirtschaftliche Lebenssicherheit tun ihr übriges.
Momentan zwingt uns der Winter etwas zur Ruhe (hier schneit es seit 2 Tagen); das hat auch sein Gutes.
Gruß,
Sisyphos

A.O. hat gesagt…

Hey Sisyphos, danke für Deinen Kommentar. Ich stimme Dir uneingeschränkt zu. Auch hier haut´s seit 2 Tagen runter, was runter geht! Zeit zum Nachdenken, Zeit zum entspannen. Mal ne Runde zu Fuß durch den Schnee und dann die innere Mitte finden - vielleicht!
Gruß zurück und ein schönes Wochenende wünscht Dir

Andrej ;-)

Stefan hat gesagt…

Super auf den Punkt gebracht, Andrej!

Hukwa hat gesagt…

Guter Artikel!
Gruß
hukwa

eintausendschön hat gesagt…

Hallo Thialfi!

Ich verfolge deinen Blog jetzt schon eine Weile und ich bin begeistert von deinen Artikeln. Immer sehr informativ und auf den Punkt gebracht.

Was mir zur Zeit auch extrem auffällt, und ich vermute, es hängt mehr oder weniger mit der allgemeinen Schlaflosigkeit zusammen, ist die unglaubliche Gereiztheit der Menschen. Es wird über Schnee und Kälte und Stille geschimpft und gewettert, als wäre man neidisch, dass die Natur ruhen dürfe und man selber nicht. Vielleicht Ausdruck der unbewussten Erkenntnis, dass es nicht so sein müsste, wie es ist... wer weiß. ;D

Wunderbarer Artikel jedenfalls. Weiter so.

Gruß,
Durloth

A.O. hat gesagt…

@Noah @Hukwa vielen Dank für Eure positiven feedbacks ;-)

@Durloth danke sehr, für Deine Zustimmung und Deinen Kommentar. Die Beschleunigung des gesamten Lebens nimmt sicher immer mehr zu. "Multitasking", zu dem angeblich nur Frauen fähig sein sollen, wird von Forschern überhaupt komplett bezweifelt. Der Mensch ist (noch?) nicht multitaskingfähig. Er kann nur eines nach dem anderen abarbeiten. Genau deswegen wird das Tempo ständig erhöht. scherst Du aus diesem rasenden Karusell aus, weil du krank bist, oder Urlaub hast, kommst Du sofort aus dem Tritt und hast später Mühe wieder weiter mit zu rasen...bis ans Ende??? Es liegt an uns, das Tempo raus zu nehmen, sonst treibt uns die Geschwindigkeit in eine Richtung, in die wir nicht wollen!

Liebe Grüße von Andrej/Thialfi

Hukwa hat gesagt…

Menschen und Tätigkeiten die durch ihre Langsamkeit die Produktionsgeschwindigkeit zu bremsen drohen, gelten in dieser Gesellschaft als Ballast. Entweder sie lassen sich beschleunigen oder sie werden "entsorgt", sei also auf der hut, Thialfi. Ich denke es kommt darauf an, das die Menschen selbst das Tempo und den Rhytmus ihres Lebens im Rahmen der evolutionär entstandenen Grundlagen bestimmen müssen. übrigens: als Konsequenz aus diesem Verhalten könnte sich eine neue Form von wohlstand ergeben weil logischerweise das Ausmaß, jener Zerstörungsprozesse, die "Schnelllebigkeit" mit sich zieht gestoppt würde. Irgendwann erledigt sich das Problem von selbst denn diese "Hochgeschwindigkeitsgesellschaft" kann überhaupt nicht zukunftsfähig sein das ist kein moralisches sondern ein biologisches Gesetz. was wir in Zukunft zur regelung solcher problemfelder brauchen ist neben der gesundheit und Sozialpolitik eine ganz neue Art von Politik: "Zeitpolitik".
beste Grüsse
hukwa

A.O. hat gesagt…

@Hukwa danke sehr für die Warnung, ich werde auf der Hut sein. Natürlich bin auch ich Teil eines Räderwerkes, dass keinerlei Rücksichten auf die Befindlichkeiten Einzelner nimmt. Aber ich vrsuche mit manchmal mehr, manchmal weniger erfolg mich diesem Druck zu entziehen und ich denke ich habe meine Nischen gefunden, die mir hin und wieder ein Ausscheren ermöglichen. Das Tempo ganz raus zu nehmen, dürfte sich als schwierig erweisen, denn das hat sicher eine ähnliche Wirkung, als wenn Du den Stecker ziehst ;-)

Herzliche Grüße vo ollen Thialfi